Am Anfang von Marc Nieders erstem Romanprojekt «Während draussen die Schatten» steht ein schreckliches Ereignis. An einer Afterparty stürzt Lu, die beste Freundin des Ich-Erzählers, unter dem Einfluss von Drogen, die er ihr verabreicht hat, die Treppe hinunter. Schnell ist klar, dass sie nie mehr wird laufen können. Während der Ich-Erzähler im Krankenhaus neben ihr darauf wartet, dass Lu die Augen öffnet, erinnert er sich an die gemeinsame Kindheit. An das Aufwachsen in einem Sozialbau, an die raue Herzlichkeit von Lus bosnischer Familie, die für ihn zu einer Art Ersatzfamilie wird, an den Sommer, in dem Lu anfängt zu studieren, um der Arbeiterschicht ihrer Familie zu entkommen. Nieder besitzt die grosse Gabe, mit seinem Erzählen einen Sog entstehen zu lassen, der an keiner Stelle abreisst. In einer nicht gesuchten, formvollendeten Sprache reflektiert er über die klebrigen Kategorien Herkunft und Milieu, über Schuld und Verantwortung und erzählt uns auf höchst berührende Weise, was es heisst, wenn sich ein Mensch nicht mit dem Schicksal abfinden kann, in dem er sich wiederfindet. Dieses Romanprojekt hat die Auszeichnung des Aargauer Kuratoriums verdient. Salomé Meier
MARC NIEDER, *1996, Biel, Werkbeitrag, CHF 30’000.
Visuals: Porträtbilder © zVg